Ein Jahr im Weinberg
Wer denkt, dass im Weinanbau die Arbeit nur in der Lese und Verarbeitung der reifen Trauben steckt, irrt. Das ganze Jahr über ist es nötig, sich mit den Reben, aber auch dem Weinberg an sich zu beschäftigen und natürlich müssen auch im Weinkeller Vorbereitungen getroffen werden. Am meisten Einfluss auf die einzelnen Arbeitsschritte hat die Natur, weshalb wir Ihnen das „Jahr im Weinberg“ nach Jahreszeiten bzw. Monaten Schritt für Schritt näherbringen möchten. Fühlen Sie sich ein in die Welt des Winzers.
Tipp: Lesehelfer sind im Sommer gern gesehene Gäste. Fragen Sie einfach bei den Weingütern an, ob noch helfende Hände benötigt werden. Wenn man selbst mit angepackt hat, lässt sich der frisch abgefüllte Wein noch viel intensiver genießen.
Die Texte wurden mit freundlicher Unterstützung zur Verfügung gestellt von der Wein|Kultur|Bar und Weingut Karl Friedrich Aust.
Dezember
Winter
Der Winzer
Im Weinberg muss nun eventuell fortgeschwemmtes Erdreich den Hang empor gebracht und verteilt werden. Der Rebschnitt kann vor Weihnachten, etwa am 15. Dezember, beginnen.
Im Keller sollten die Fässer so oft als möglich aufgefüllt werden. Nun kann auch weiter abgefüllt werden. Mit alten Freunden und guten Kunden wird nun die Qualität des jungen Weines überprüft.
Die Rebe
Der Rebstock verliert nun mit dem ersten Frost sein Laub und zieht sich somit sein sichtbares Winterkleid an. Schon sammelt er neue Kräfte, um den bevorstehenden Winter und die schon jetzt eintretenden ersten Fröste überstehen zu können.
Der Weinberg nimmt bereits verrottetes Laub auf, verschließt sich gegen die Strapazen des Winters und regeneriert sich für die neue, die kommende Wachstumsperiode.
Januar
Winter
Der Winzer
Im Weinberg begann der Winzer früher am St. Vinzenztag oder am 22. Januar den Rebschnitt. Heute fängt er schon im Dezember damit an. Fällt kein Schnee, ist der Boden oft gefroren. Reben überstehen Temperaturen bis zu –18°C ohne größeren Schaden.
Im Keller werden die Fässer mit neuem Wein ständig aufgefüllt und Spunde wöchentlich mit Schwefeldioxyd-Lösung abgewischt. Ist das Wetter trocken und schön, kann der ältere Wein abgefüllt werden.
Die Rebe
Der Rebstock befindet sich in seiner absoluten Ruhephase, der Weinberg in seinem Winterschlaf. Um sich vor Frostschäden zu schützen, sammelt die Rebe den notwendigen Lebenssaft im Wurzelwerk und trocknet den sichtbaren Teil des Weinstockes soweit als möglich aus.
Der Weinberg verschließt sich gegen nahezu jegliche Einflüsse. Er braucht die Ruhe dieser Zeit, denn jetzt regeneriert er sich und sammelt Kräfte für die bevorstehende strapaziöse Vegetationsphase.
Februar
Winter
Der Winzer
Im Weinberg wird man in diesem Monat den Rebschnitt für Pfropfreiser zur Veredelung schneiden und den Rebschnitt abschließen. Des Weiteren werden Edeltriebe auf Wurzelreben aufgepfropft und in eine Sandkiste in den Vortriebsraum gesetzt. (heute nur noch in Rebschulen)
Im Keller beginnt man bei klarem Wetter, Neumond und Nordwind (d.h. bei hohem Luftdruck) jungen Wein – um ihn vom Trub zu trennen – auf saubere Fässer abzustechen und den Wein aus verschiedenen Fässern im Mischbottich oder Tank auszugleichen.
Die Rebe
Der Rebstock beginnt sich, je nach klimatischer Gegebenheit, mit den ersten Sonnenstrahlen zu regenerieren. Er ist gegen äußere Einflüsse und Handhabungen noch relativ immun, nimmt aber gern jedes Angebot zur Entwicklung an.
Der Weinberg öffnet sich und bietet den Wurzeln die angestauten saftigen Nährstoffe zur vorsichtigen Entwicklung an. Durch einen beginnenden Wasserfluss verteilen diese sich über die gesamte Fläche.
März
Frühling
Der Winzer
Im Weinberg muss man in diesem Monat dafür sorgen, dass dieser zu neuem Leben erwacht, ihm helfen, sich zu öffnen. Pflügen steht hierbei ganz oben auf dem Arbeitsplan des Weinbauern.
Im Keller gilt es, den ersten Abstich vor Ende des Monats zu beenden. Eine geheimnisvolle Wechselwirkung zwischen Rebe und Wein soll die Nachgärung auslösen, sobald der Saft steigt. Die Fässer gilt es, ständig auf- und den restlichen Wein abzufüllen.
Die Rebe
Der Rebstock beendet zur Mitte des Monats die Ruhezeit. Der Saft beginnt wieder zu steigen und die braunen Knospenschuppen fallen ab.
Der Weinberg unterstützt den Rebstock bei seinen Aktivitäten und gibt ihm nach dem winterlangen Halt die Freiheit, sich zu recken und zu strecken.
April
Frühling
Der Winzer
Im Weinberg sollte der Winzer die Weinbergsarbeiten abschließen, diesen aufräumen, das Reisholz ersetzen und beten, dass die Wachstumsperiode möglichst spät beginnt oder ihn Frost und Hagel nicht heimsuchen mögen.
Im Keller muss weiter aufgefüllt werden. In den Fässern darf es unter keinen Umständen Leerraum geben, denn jedes Jahr verdunsten 5% des Weines durch das Holz.
Die Rebe
Der Rebstock beginnt damit, aus den am Weinstock verbliebenen Knospen, winzig grüne Triebe hervorsprießen zu lassen. Wann das genau geschieht, hängt immer von der Rebsorte und den klimatischen Gegebenheiten des Jahrgangs ab.
Der Weinberg versucht, sich gegen die Widrigkeiten dieses Monats zu wehren. Er bemüht sich, dass zu viel aufkommendes Wasser des in der Regel regenreichen Monats, ablaufen zu lassen. Zugleich muss er das Innere des Berges gegen plötzlich aufkommenden Frost schützen.
Mai
Frühling
Der Winzer
Im Weinberg gelten alle Aktivitäten der Vorausschau und Früherkennung von aufkommendem Hagel und späten Frösten. Die zweite Bodenbearbeitung findet nun zur Unkrautvernichtung statt. Gespritzt wird gegen falschen Mehltau.
Im Keller werden im idealen Fall – die frisch gefüllten Weine an die Kunden verteilt. Ende Mai, kurz vor der Rebenblüte, wird nun mit dem zweiten Abstich angefangen und auf frische Fässer abgezogen.
Die Rebe
Der Rebstock hat nun seinen wichtigsten Moment für das Wachstum der Triebe, der Blätter und – geringfügig später – auch der Wurzeln. Jetzt, da sie alle Kraft für die Wachstumsperiode aufbringen müssen, sind sie für negative Einflüsse am empfindlichsten.
Der Weinberg beherbergt nicht selten Heizgeräte, Windmaschinen und Berieselungsanlagen, mit denen man die empfindlichen Triebe vor den hoch gefährlichen Spätfrösten zu schützen sucht.
Juni
Sommer
Der Winzer
Im Weinberg wartet der Winzer auf warmes Wetter. Je wärmer, desto ruhiger und besser für ihn. Nach der Blüte gilt es, die Triebe auszugeizen und die besten an die Drahtanlage zu heften.
Im Keller sollte man nun den zweiten Abstich des jungen Weines abgeschlossen und alle alten abgestochen haben. Das warme Wetter begünstigt die Verdunstung. Alle Fässer sind auf Tropfstellen hin zu überprüfen.
Die Rebe
Der Rebstock beginnt bei 18°-20° Celsius mit der wichtigsten Phase des späten Frühjahrs oder frühen Sommers – die Blüte. Sie erfolgt sechs bis zwölf Wochen nach dem Austrieb und dauert sieben bis vierzehn Tage. Winzige Blüten – die Gescheine – entfalten sich und werden mehr oder minder vollständig befruchtet.
Der Weinberg bangt vor starkem Wind, denn dieser kann die zarten Blüten aufreißen. Auch zu nasses Wetter bringt Ertragseinbußen, weil es das gesunde Wachstum der angesetzten Früchte beeinträchtigt.
Juli
Sommer
Der Winzer
Im Weinberg werden leichte Spritzarbeiten vorgenommen. Im Sommer hat die Natur und nicht der Mensch die Hauptarbeit zu leisten. Ist der Fruchtbehang infolge besonders günstiger Blütebedingungen sehr stark, schreiten viele Winzer zur Behangausdünnung, bei der ein Teil der Früchte herausgeschnitten wird. Nicht selten werden auch bei den Burgundersorten die Trauben in der Mitte geteilt, um sie weniger kompakt besser reifen zu lassen. Es erfolgt die dritte Bodenbearbeitung zur Gräservernichtung. Lange Triebe werden entfernt, damit die Rebe ihre Kraft auf die Trauben konzentrieren kann.
Im Keller sollte bei zu warmen Bedingungen die Kühlung eingeschaltet werden. Das Hauptaugenmerk ist nun auf den Keller und dessen klimatische Bedingungen gerichtet. Es gilt, ihn so kühl als möglich zu halten.
Die Rebe
Der Rebstock ist zu dieser Zeit besonders zu beobachten. Zwar entwickelt er sich fast von selbst, doch ist zum Beispiel bei besonders feuchtem Wetter darauf zu achten, dass sich kein Pilzbefall entwickelt. Durch die Ausdünnungen vermag es die Pflanze die Kraft voll auf das Ausreifen, der noch verbleibenden Früchte, zu konzentrieren.
Der Weinberg ist zu dieser Jahreszeit recht aktiv. Er öffnet sich bei feuchtem Wetter, um möglichst viel Wasser aufzunehmen. Bei anhaltender Trockenheit verschließt er die unteren Schichten, um das darin befindliche Wasser zu sichern.
August
Sommer
Der Winzer
Im Weinberg sind zu dieser Zeit je nach Wetterlage die Gräser in den Gassen, bei Trockenheit kurz zu halten bzw. bei nasser Witterung wachsen zu lassen. Die Laubwand ist auszuputzen. Schwarze Beeren beeinträchtigen die Farbe des Weines.
Im Keller gilt es zu Beginn des Monats, die Hitze aus dem Keller zu lassen, Türen zu schließen und gegebenenfalls eine Schwefelkerze anzuzünden. Das Rebenwachstum und die Gärung setzen gegen Mitte des Monats wieder ein, deshalb darf nicht mehr abgefüllt werden. Leichter (und somit weniger stabiler) Wein kann bei warmer Witterung umschlagen und ist deshalb besonders sorgfältig zu beobachten.
Die Rebe
Der Rebstock benötigt die ersten Laubauslichtungen. Nun ist eventuell der so genannte Sommerschnitt erforderlich, weil die grünen Teile der Rebe zu schnell wachsen und zurück geschnitten werden müssen, damit sie den Reben nicht zu viel Licht wegnehmen.
Der Weinberg ist zu dieser Zeit vollkommen mit seinem Wasser‑, Temperatur- und Mineralienmanagement beschäftigt. Bei sehr trockenen Bedingungen erlaubt er es der Rebe, noch tiefer zu wachsen, um nicht vollkommen dem ungünstig auswirkenden Wasserstress unterworfen zu sein und in tieferen Regionen die nötigen Nährstoffe zu finden.
September
Herbst
Der Winzer
Im Weinberg versucht nun der Winzer, kleine Kinder, Touristen und Vögel vom Weinberg fernzuhalten. Trauben sind auszudünnen und sonstig verbleibt es nur zu beten, dass die Sonne scheint. Etwa in der zweiten Woche sind die Trauben reif und die Lese kann beginnen.
Im Keller gilt es, den Gärkeller gründlich zu reinigen. Alle Metallteile der Presse etc. müssen mit Kelterlack gestrichen werden, glücklich, wer eine Edelstahlpresse besitzt. Die Gärfässer sind mit Wasser zu befüllen, damit das Holz aufquillt.
Die Rebe
Der Rebstock verändert sich nun mit jedem Tag. Die Traubenbeeren sind von kleinen, harten Perlen zu großen, saftigen Früchten gewachsen. Die Säure nimmt ab und zugleich die Süße zu. Der entscheidende Zeitpunkt des Reifebeginns – die Franzosen nennen ihn véraison – ist daran zu erkennen, dass zuerst die äußeren Beeren in der Traube weich werden und Farbe annehmen.
Der Weinberg speichert bereits jetzt die Wärme für die langsam kälter werdenden Nächte, um die Traube für das beginnende Finale zu vorzubereiten.
Oktober
Herbst
Der Winzer
Im Weinberg beginnt die härteste und stressigste Zeit des ganzen Jahres. Der Arbeitstag hat nicht selten 20 Stunden. Die Weinlese dauert etwa zwei Wochen. Danach wird der Weinberg mit dem Trester gedüngt. Für Neuanpflanzungen muss der Boden tief umgepflügt werden.
Im Keller gärt der neue Wein. Einjähriger Wein sollte noch einmal abgestochen und dann verspundet werden. Die Fässer kommen in den Zweitjahres-Keller, wo sie so gelegt werden, dass ihr Spund (Stopfen) seitlich ist.
Die Rebe
Der Rebstock versucht noch einmal, die letzten Sonnenstrahlen mitzunehmen, um die Trauben zur absoluten Vollreife zu bringen. Plötzlicher Regen kann binnen Tage die gesamte Jahresarbeit verwässern. Nach der Lese beginnt die Regenerationsphase für die Pflanze.
Der Weinberg sammelt nach dem Stress der letzten Wochen nun neue Kräfte. Mineralien und Energie sind aufzunehmen und so langsam sollte die nötige Ruhe einkehren.
November
Herbst
Der Winzer
Im Weinberg sind lange Triebe abzuschneiden und als Brennmaterial aufzubewahren. Die Düngung wird abgeschlossen, der Weinberg umgepflügt, um Erde rund um die Reben anzuhäufen.
Im Keller muss weiter aufgefüllt werden. In den Fässern darf es unter keinen Umständen Leerraum geben, denn jedes Jahr verdunsten 5% des Weines durch das Holz.
Die Rebe
Der Rebstock lässt die grünen und geschmeidigen Triebe braun und fest werden. Die Rebe speichert nun Energie für den Winter und für den Austrieb im kommenden Jahr.
Der Weinberg atmet noch einmal richtig durch und nimmt die durch Pflügen zugeführte Sauerstoffzufuhr dankbar an.